Gehirngerechtes Arbeiten

Raus aus der Energiekrise

October 1, 2018

Die neue Arbeitswelt hat viele Perspektiven. Sie gilt als dynamisch und schnell. Es gibt flexible Arbeitszeitmodelle, Vertrauensarbeitszeit und moderne Büros. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen nicht mehr unbedingt anwesend sein – sie können von zuhause arbeiten. Für Wissensarbeiter gibt es die beste Arbeitsumgebung seit Jahren. 

Es knirscht im System

Wir erleben in Gesprächen immer wieder, dass der Leidensdruck in Unternehmen wächst. Die Aussagen von Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern sind sich dabei verblüffend ähnlich:

  • Die Stimmung bei uns ist schlecht,
  • Führungskräfte und Mitarbeitende sind überlastet, 
  • die Zahl der Fehlzeiten ist extrem hoch,
  • meine Mitarbeitenden übernehmen keine Verantwortung.

Woran liegt dieser Potentialverlust?

Viele Manager und Führungskräfte versuchen mit ihren Mitarbeitenden auf der „Sachebene“ zu kommunizieren. Sie fordern über Zahlen und Fakten Leistung und Eigeninitiative. Der Erfolg dieser Strategie ist bescheiden, weil  sie ihre Mitarbeitenden emotional nicht erreichen.

Sie vergessen, dass hinter jedem Arbeitsprozess ein Mensch mit Bedürfnissen steht. Arbeit als wertschöpfender Prozess wird viel zu oft als Konkurrenz und Wettkampf verstanden. Die Bedeutung eines guten Betriebsklimas für den wirtschaftlichen Erfolg wird massiv unterschätzt. 

Um motiviert zu arbeiten und Verantwortung zu übernehmen, braucht das menschliche Gehirn in hohem Maße Anerkennung und Vertrauen. Erst durch die Befriedigung mentaler Bedürfnisse bringen Menschen sich mit Energie für ihr Unternehmen ein.   

Der Führungsalltag sieht häufig so aus:

  • Mangelnde Offenheit: Schwierige Themen (Konflikte) werden nicht angesprochen. Sie köcheln im Verborgenen vor sich hin bis ein kollegialer Flächenbrand entsteht. Hinter diesem Verhalten des Schweigens steht häufig die Hoffnung, dass sich Probleme und Konflikte von allein lösen.
  • Fehlende Klarheit: Geschäftsführende und Führungskräfte geben Kundenversprechen ab, ohne ihre Mitarbeitenden einzubeziehen. Wird der Auftrag nicht in der zugesagten Zeit fertiggestellt, zieht sich die Führungskraft zurück und erklärt dem Kunden, dass das Team die Aufgabe nicht geschafft hat. 
  • Kein Vertrauen: Kommunikation findet als Einbahnstraße statt. Feedback gibt es nur von oben nach unten. Mitarbeitende haben zu ihrer Führungskraft kein Vertrauen. Sie halten Informationen aus Angst vor Schuldzuweisung zurück.

Durch Geringschätzung, Nichtwürdigung der Leistungen von Mitarbeitenden oder durch Kontrollsucht entwickeln Menschen Ängste, Ärger oder Frust. Sie werden unsicher und bekommen in der Regel enormen Stress. Mitarbeitende bringen ihr Potential nicht mehr ein und werden häufiger krank. Der Anstieg der Fehlzeiten ist vorprogrammiert. 

Wie machen Sie es besser?

Stellen Sie zwischenmenschliche Beziehungen in den Fokus

Ob Menschen bei der Arbeit glücklich oder krank, leistungsbereit oder demotiviert sind, darüber entscheiden im Wesentlichen neurobiologische Regeln. Ihr Verhalten und ihre Sprache sprechen das Gehirn ihres Gegenübers an. Dessen Motivationssystem springt aber nur dann an, wenn Sie ihm mit glaubwürdigem Vertrauen begegnen.  

Der Grund ist einfach: Menschen sind soziale Wesen, die sich mit anderen Menschen verbunden fühlen wollen. Wir streben im Zusammensein mit anderen immer nach Kooperation und Gemeinschaft. Dieses Verhalten ist in unseren Genen festgeschrieben.

Nur wenn Menschen sich verbunden fühlen, arbeiten sie miteinander und füreinander. Gelingende Beziehungen sind das unbewusste Ziel allen menschlichen Bemühens, weil sie mit der Ausschüttung der Glücksbotenstoffe Dopamin, Oxytozin und Opioiden einhergehen. Danach strebt unser Gehirn in jeder Situation.

Wenn es Managern und Führungskräften gelingt, das Motivationssystem des Gehirns und die Ausschüttung seiner Motivationsbotenstoffe in Fahrt zu bringen, werden sie mit gesunden und leistungsbereiten Mitarbeitenden belohnt.

Wie sieht dann gehirngerechte Führung aus?

  • Verbundenheit: Echte Zusammenarbeit braucht Beziehung. Wenn Menschen eine Verbindung zueinander eingehen und eine soziale Beziehung entsteht, beginnt das Gehirn den Botenstoff Oxytocin auszuschütten. Dieser Botenstoff sorgt für körperliche und psychische Entspannung, senkt den Blutdruck und beruhigt die biologischen Stresssysteme. Wir sind motiviert und in der Lage lösungsorientiert und kreativ zu denken und zu arbeiten.
  • Klarheit: Wichtig ist, dass Mitarbeitende eine klare Rückmeldung zu dem erhalten, was sie leisten. Dazu gehört auch Kritik. Die Fehlerkultur eines Unternehmens ist ein Zeichen von Wertschätzung. Sehe ich Fehler als etwas, das nicht gemacht werden darf, oder sehe ich Fehler als notwendig, um zu lernen, besser zu werden und kreativ Lösungen zu finden.
  • Konflikte ansprechen: Es gibt immer wieder Konflikte und Unstimmigkeiten in der Zusammenarbeit. Diese offen anzusprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, ist ein Zeichen von Anerkennung und Respekt. Entscheidend ist, dass Kritik ohne Herabwürdigung der Person kommuniziert wird.

Fazit

Bisher hielt man es für selbstverständlich, dass der Mensch sein großes Gehirn zum Denken besitzt. Neurowissenschaftliche Forschungsergebnisse haben allerdings gezeigt, dass Bau und Funktion des Gehirns in besonderer Weise für „psychosoziale Kompetenzen“ optimiert sind.

Das Gehirn ist demnach weniger ein Denkorgan als vielmehr ein Sozialorgan.

Nehmen Sie eine offene, vertrauensvolle, gelassene und entspannte Haltung ein, die es Ihnen auf unterschiedliche Weise ermöglicht, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Entfaltung ihrer Potentiale zu ermutigen und zu inspirieren. 

Wenn Sie Geschäftsführerin, Geschäftsführer oder Führungskraft sind, haben Sie zwei grundlegende Aufgaben:

  • Sorgen Sie dafür, dass sich Menschen durch ihre Arbeit „spüren“ und sich dadurch als wirksam wahrnehmen können. 
  • Sorgen Sie dafür, dass sich Menschen in ihrem Unternehmen anerkannt fühlen können.

Wenn wir möchten, dass Menschen motiviert und leistungsbereit sind, geht das nur, wenn wir eine vertrauensvolle klare Kommunikation und ein wertschätzendes Betriebsklima schaffen. In solch einer Arbeitsumgebung nehmen Menschen Herausforderungen an und bringen sich mit Energie in ihr Unternehmen ein.

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Dr. Ina Rosemeier

Seit über 17 Jahren befasse ich mit dem, was mich am meisten fasziniert: Bewegung und Gesundheit. Bewegung ist für mich gleichermaßen Motor und Herzensangelegenheit. Ich möchte den Menschen, mit denen ich zusammen arbeite, Impulse geben, sich zu bewegen und ihr Leben aktiv zu gestalten.

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